Die Bedenken gegenüber dem neuen Tarif- und Ticketsystem «myRide» der öV-Branche wachsen. Während analoge Billette und allenfalls Abonnements verschwinden, wird der Ticketvertrieb digitalisiert und personalisiert. Dies führt zu Einschränkungen oder hat sogar Nachteile für einen beachtlichen Teil der Reisenden. Zudem ist die Preisbildung nicht mehr nachvollziehbar. Für die fünf Organisationen IGöV, VCS, Caritas, Konsumentenschutz und VASOS ist klar: Auch nach der digitalen Weiterentwicklung der Tarife und Tickets muss der Zugang zum öffentlichen Verkehr für alle Menschen in der Schweiz gewährleistet sein - mit transparenten und verständlichen Preisangaben.
Mit dem Projekt «myRIDE» testet die Alliance SwissPass ein System, in welchem die Reisenden ein lückenloses digitales Reisetagebuch führen. Dies erlaubt es, den öV-Konsum nachträglich anhand individueller, digitaler Preispläne (E-Tarif) zu bepreisen (Post-Pricing). Mitte November 2023 hat die Alliance SwissPass angekündigt, ab März 2024 «einen ersten Prototyp des E-Tarifs» zu testen. Erste Elemente des E-Tarifs sollen «frühestens zwei Jahre nach einer erfolgreichen Testphase am Markt angeboten» werden. Florence Brenzikofer, Präsidentin der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr IGöV, betont zwei Punkte: «Einerseits muss das Prinzip „eine Fahrt – ein Preis“ auch in einem zukünftigen Tarifsystem gelten. Andererseits darf die Digitalisierung nicht dazu führen, dass die beliebten und ertragreichen Pauschalfahrausweise wie GA, Verbundsabonnemente, Tageskarten und Co. abgeschafft werden.» Stéphanie Penher, Geschäftsführerin des VCS VerkehrsClub der Schweiz sagt: «Die freie Wahl der Zahlungsmittel darf nicht abgeschafft werden. Wir wehren uns dagegen, dass Alliance Swiss Pass versucht alle Personen, welche nicht per Smartphone reisen, mit diskriminierenden Preisen auf die digitalen Kanäle zu zwingen. Das verhindert den niederschwelligen Zugang und schadet so der Verkehrsverlagerung weg von der Strasse hin zum öV.» Andreas Lustenberger, Leiter Bereich Grundlagen und Politik und Mitglied der Geschäftsleitung von Caritas Schweiz, äussert sich kritisch: «Die Schweiz braucht eine Verkehrspolitik mit Armutsperspektive. Das sollte auch bei der Erneuerung von Tarifsystemen berücksichtigt werden. Das Prinzip des Post-Pricings zum Beispiel ist für Personen mit knappem Budget problematisch. Wer jeden Rappen vor dem Ausgeben umdrehen muss, ist darauf angewiesen, den Preis für eine öVFahrt im Voraus zu kennen.» Sara Stalder, Geschäftsleiterin Konsumentenschutz, äussert sich kritisch zur Preistransparenz: «Die Erfahrung zeigt: Personalisierte und dynamische Tarifmodelle verhindern jegliche Preistransparenz – ein einheitlicher Normalpreis existiert nicht mehr. Dies öffnet Tür und Tor für versteckte Preiserhöhungen.» Christoph Wydler von der Vereinigung aktiver Seniorenund Selbsthilfeorganisationen der Schweiz VASOS gibt zu bedenken: «Viele ältere Menschen besitzen kein Smartphone oder sie können damit als «non-digital-natives» keine digitalen Angebote nutzen. Ihnen ist der Zugang zu öV-Billetten auf einfache Weise zu ermöglichen, auch mit Bargeld. Dabei dürfen sie nicht diskriminiert werden: Alle Preisreduktionen und Bonusprogramme müssen für alle zugänglich bleiben.» |
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November 2024
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